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U2 News » Reingehört: Meinungen zum neuen Album Songs of Surrender - Part 1


Die Meinungen zum neuen Album Songs of Surrender gehen auseinander. So auch innerhalb des Teams von U2tour.de. Nachfolgend die ersten Eindrücke. Weitere Meinungen folgen in den nächsten Tagen. 


Anne

  • Beste Songs des Albums: Bad, Stories for Boys, Two Hearts beat as One
  • Meinung: 8 von 10 Punkten

Da ist es nun.. Songs of Surrender! Ein Album, welches im Vorfeld schon von den Fans heiß diskutiert wurde, teilweise mit vernichtenden Aussagen.
Angeteasert durch das Audiobook und die Buchtour von Bono, hatte ich schon eine gewisse Vorahnung, wohin die Reise geht: stripped-down Versionen mit viel Akustik-Gitarre und Piano, nicht den Sound, der im Stadion oder großen Hallen die Menschenmassen zur Eskalation bringt.

Das komplette Album habe ich über drei Tage verteilt mit Kopfhörern auf mich wirken lassen. Und ja, es ist das Album geworden, welches ich auch erwartet habe:
Eine durchaus ruhige Zeitreise durch den Songkatalog von U2. Ist das schlecht? Nein, im Gegenteil! Es ist halt etwas anderes.. man muss sich halt darauf einlassen, dass es nicht das Original ist. Streets zum Beispiel, wer hier das markante Gitarrenspiel von Edge, den durchdringenden Bass von Adam und die fordernden Drums von Larry erwartet, ist hier Fehl am Platz. Hier geht es eher „mystisch“ zu. Ist denn jeder Song so ruhig? Nein.. auch wenn viele Songs gut für ein gemütliches Lagerfeuer oder eine lange Auto- oder Zugfahrt passen, gibt es auch Tracks, deren Rhythmus mich direkt anspringen. Two Hearts Beats As One ist einer davon! Dieser hat mich persönlich sofort abgeholt. (Ok, hat mich im Audiobook auch schon sehr angesprochen).

Generell sind bei dem Album zum Großteil Bono und Edge am Wert, aber gut, sie sind halt der „musikalische“ Kopf von U2. Und so habe ich es auch so erwartet.
Ingesamt gefällt mir die Kombination aus Piano, Gitarre und hier und da ein bisschen Cello bei vielen Songs sehr gut. Aber es gibt auch überraschende Momente von und mit Adam und Larry. Davon hätte ich mir persönlich noch ein paar mehr gewünscht.

Gesanglich gibt Bono bei dem ein oder anderen Song das Mikrophone an Edge ab, manchmal gefällt es mir sehr gut (Stories for Boys), manchmal eher weniger (Peace on Earth). Von Bono’s Vocals bin ich teilweise überrascht.. mit Knöpfen im Ohr bei Dirty Day zum Bespiel, hier habe ich am Anfang das Gefühl, er sitzt direkt neben mir und singt mir ins Ohr. Bei anderen Stellen ziehe ich aber aufgrund der Höhe hier und da kurz die Augenbrauen hoch.

Unterm Strich muss ich sagen, das „Re-Imagine“ der Songs ist in meinen Augen alles in Allem sehr gut gelungen. Ja, man muss sich darauf einlassen, dass sein geliebter Song nun anders klingt. Aber das Original gibt es weiterhin….

Letztendlich haben es 25 von den 40 Songs im ersten Step auf meine Lieblingsplaylist geschafft und ich freue mich, dass mich einige Songs in den nächste Wochen begleiten werden.


Daniel

  • Bester Song des Albums: The Fly
  • Meinung: 2,5 von 10 Punkten

Every artist is a cannibal – auf Songs Of Surrender unterstreichen Bono und The Edge diese These eindrucksvoll beim Zerlegen eines Großteils ihres herausragenden Werkes. 

Was nach 166 Minuten bleibt, ist ein Hilferuf: SOS! Und viele Fragezeichen. Warum haben Bono und The Edge das Bedürfnis 40 großartige Songs, jeder einzelne davon entstanden im und geprägt durch den Kontext seiner Zeit, neu zu arrangieren? Warum wird eine so gewaltige Vermarktungswelle für ein Album losgetreten, das aufgrund seines Wesens – reduzierte Songs, ‚stripped down‘ Versionen - so völlig im Gegensatz zu den gefühlt drölfzigtausend buntschimmernden Vinyl-Editionen steht? Vor allem aber: Warum ist das Ergebnis in großen Teilen so unfassbar schlecht?

Ich stehe nicht gerade im Verdacht besonders kritisch mit U2-Veröffentlichungen zu sein, der Bonus, den sich die Band in den über 30 Jahren meines Fan-Daseins erspielt hat, ist gewaltig. No Line On The Horizon ist eines meiner absoluten Lieblingsalben, Songs Of Innocence finde ich fantastisch, Songs Of Experience immerhin sehr gut. Dass ich mal ein U2 Album zumindest in Teilen verreißen werde, hätte ich vor wenigen Monaten noch kategorisch ausgeschlossen. Wobei ich mich nach wie vor schwer damit tue, Songs Of Surrender als U2 Album zu bezeichnen, Adam und Larry finden auf den meisten Songs ja so gut wie gar nicht statt. 

Songs Of Surrender scheitert meines Erachtens an seinem zu ambitionierten Umfang, Erste Hinweise auf die „neugedachten“ Songs ergaben sich im Rahmen von Bonos Surrender-Lesetour. Das klang vielversprechend, die reduzierten Darbietungen weckten in mir die Hoffnung auf Neuinterpretationen, die – vor allem in diesem Setting – Sinn ergaben und sehr schön anzuhören waren. Hätte man es dabei belassen und sich darauf beschränkt, einige Songs begleitend zur Biografie zu veröffentlichen (beispielsweise als eine Art „Soundtrack“ zum Buch), wäre das Ganze unter Umständen eine runde Sache geworden. So jedoch stellt sich bei mir der Eindruck ein, dass der Ehrgeiz, einen Großteil des Katalogs zu überarbeiten, einem ordentlichen Ergebnis im Weg stand. Man kann eben nicht mal eben auf Teufel komm raus 40 Songs neu interpretieren; das mag für einige wenige gelten, einer spontanen Eingabe folgend. Das romantische Bild, welches The Edge von der Entstehung des Albums zeichnet, spiegelt sich im Ergebnis nicht wieder. Vielmehr folgt ein Großteil der Nummern dem Motto „Wir wissen zwar nicht wie, aber wir ziehen das jetzt durch!“ Und zwar überwiegend nach dem immer gleichen langweiligen Muster - seichte Lagerfeuerstimmung mit Sprechgesang, teilweise so befremdlich, dass es schwerfällt, sich die Stücke bis zum Ende anzuhören. An anderen Stellen widerrum wirkt Bonos Stimme entweder übertrieben brüchig und markant oder aber sehr falsettig, als solle den Songs dadurch zusätzliche Tiefe eingehaucht werden, was aber größtenteils nicht authentisch klingt. Das Attribut, welches die Umsetzungen für mich am ehesten beschreibt – und es tut mir weh, das zu schreiben – ist: lieblos! Manifestieren tut sich dies vor allem darin, wie die Songs enden. Bei allem Respekt, das abrupt eintretende Ende von With Or Without You wirkt, als hätte jemand gerufen „Bono, Edge, das Essen ist fertig“ woraufhin die Aufnahme jählings zu einem Abschluss gebracht wird, der dem Song nicht im Ansatz gerecht wird. 

Noch am besten ist Songs Of Surrender für mich dort, wo man möglichst nah am Original geblieben ist, stripped-down Versionen, die ich mir gut als überraschende Akustik-Version im Rahmen einer Tournee vorstellen könnte: Until The End Of the World, Wild Horses, Invisble, Electrical Storm… Immer noch langweilig, aber es sind diese wenigen Nummern, die mich etwas versöhnlicher stimmen, als ich es insbesondere nach dem Hören der ersten Veröffentlichungen (Pride, With Or Without You, One, Beautiful Day) vermutet hätte. Insbesondere die Stücke, die mal zuerst der Öffentlichkeit preisgegeben hat, empfinde ich nämlich als besonders gruselig. Gleiches gilt leider für den Großteil der Songs, bei denen versucht wurde, etwas „komplett neues“ zu machen. Es ist ja aller Ehren wert, dass man versucht hat diesen Stücken einen neuen Charakter zu verleihen, allein das Ergebnis vermag mich nicht im Ansatz einzufangen. Eine der wenigen Ausnahmen: The Fly. Eine durchaus smoothe Interpretation, in der aber eben – und genau dort liegt der Haken – auch Adam und Larry „vorkommen“. Bei den allermeisten Songs vermisse ich die beiden schmerzlich. Das Albumcover ist da fast schon eine Mogelpackung. 

Was mich besonders wurmt: Viele Nummern auf Songs Of Surrender finde ich nicht einmal richtig schlecht, sondern einfach belanglos. Belanglos! Ein Wort, das ich bis dato nicht im Traum mit auch nur mehr als einer Handvoll U2 Songs in Verbindung gebracht hätte. Vermutlich ist es auch genau das, was ich der Band, oder sollte ich besser sagen Bono und The Edge, vorwerfe. Der unbedingten Wunsch, ein Lied zu skippen. ist bezogen auf U2 eine völlig neue Erfahrung. Und auf die hätte ich sehr gerne verzichtet. Und erstmals bin ich fast dankbar dafür, dass No Line On The Horizon abermals komplett ignoriert wurde. 

Einige der ganz negativen Ausreißer, darunter das eunuchengleiche Desire oder auch Vertigo (featuring Dave Garrett?) sorgen lediglich für Kopfschütteln, andere wiederum – man verzeihe mir den Pathos – treffen meine Seele bis ins Mark. Bei Bad und One verstehe ich keinen Spaß, wenn diese epischen Songs eben jener beraubt werden. Pride und Beautiful Day, zwei der kraftvollsten Stücke überhaupt, büßen ihre komplette Energie ein. Und warum klingt Bono beim wunderbaren Peace On Earth so, als hätte er vor dem Einsingen mindestens die Menge an Alkohol zugeführt, die ich bräuchte, um den Song zu ertragen. Dirty Day ist per se so minimalistisch, dass ich mich frage, warum der Song noch einmal angefasst werden musste, um ihn nochmals zu reduzieren. Keine Beinbruch, aber eben…., ja, unnötig und belanglos. Das ist insofern bitter, als dass diverse Interviews erkennen lassen, wie viele Gedanken sich The Edge um die Neuinterpretationen gemacht hat, wieviel Energie in das Projekt geflossen ist. Aufgrund des maximal mittelmäßigen Ergebnisses frage ich mich einfach, wieviel Freude wir gerade alle haben könnten, wenn eben jene Energie in ein komplett neues Album geflossen wäre. 

Zur ausufernden Vertriebs-Strategie mit „limitierten“ Editionen in allen Farben des Regenbogens möchte ich eigentlich ebenso wenig sagen, wie zu den teilweise veränderten Lyrics. Nur so viel: Es interessiert mich im Grunde reichlich wenig, wie Bonos Texte im heutigen Kontext aussehen würden. Im Rahmen einer Performance kann man da ja durchaus aktuelle Themen aufgreifen und Zeilen entsprechend ändern, aber hier empfinde ich es größtenteils als unglücklich und wenig gelungen. Wenn Bono uns etwas „Neues“ mitteilen möchte, dann gerne auf neuen Songs, auf einem wirklich neuen Album. 

Ironie, dass sowohl meine Einleitung als auch die Schlussworte einer der wenigen ansprechenden Interpretationen auf Songs Of Surrender entstammen: Yeah, I'm running outta change/ There’s a lot of things / If I could I’d rearrange – Mussten Bono und The Edge das unbedingt wörtlich nehmen? Das Kleingeld würde den beiden jedenfalls auch ohne diesen 40-Song-Langweiler nicht ausgehen. 


Denise

  • Bester Song des Albums: Get Out Of Your Own Way
  • Meinung: 5 von 10 Punkten

Ich hatte mir vor dem ersten kompletten Hören vorgenommen, Songs of Surrender als eigenständiges Album zu sehen und es möglichst nicht mit den Originalsongs zu vergleichen. Leider gelang mir das bereits bei Track 2, Where The Streets Have No Name, nicht mehr und ich hatte das Gefühl zur Originalversion wechseln zu wollen. Durch die extreme Reduzierung klingen viele Songs sehr ähnlich und bieten für mich zu wenig Abwechslung. Dennoch habe ich das Album bis zum Ende gehört und durchaus Songs gefunden, die aus der Masse herausstechen. Darunter sind Red Hill Mining Town, weil die Bläser ein wenig Abwechslung bringen oder auch die Streicher bei Dirty Day. Get Out Of Your Own Way klingt wie eine frühe Demo-Version, gefällt mir aber gerade deshalb ganz gut.

Insgesamt ist Songs Of Surrender aber ein Album, das ich wahrscheinlich nicht mehr oft hören werde. Die ursprünglichen Versionen gefallen mir einfach viel besser - meiner Meinung nach muss man daran nichts ändern.


Marcus

  • Bester Song des Albums: Red Hill Mining Town 
  • Meinung: 2 von 10 Punkten

Ich möchte meine Rezension mit einer ganz allgemeinen Beobachtung beginnen - natürlich inspiriert durch die teils hitzigen Diskussionen, die es im Forum schon vor der Veröffentlichung von Songs Of Surrender gab: Ich halte es für widersinnig, wenn man jemandem, dem ein Album einer Band nicht gefällt, selbst wenn es die Lieblingsband ist, den „Fanstatus“ abspricht. Ich bin passionierter Musikhörer und Konzertbesucher und das seit mehr als vier Jahrzehnten. Ich höre (beinahe) alle Musikrichtungen von Chanson über Jazz bis Blackmetal, aber ich kenne praktisch keine Sängerin, keinen Sänger, keine Band, die so etwas wie eine perfekte Discographie besitzt. Auch Bob Dylan nicht, der mir mehr bedeutet als jeder andere Songwriter. Merke: Leute, die grundsätzlich alles abnicken, was man ihnen vorsetzt, die jedes Buch eines Schriftstellers gut finden, jede Platte ihrer Lieblingsband, jeden Satz ihres (spirituellen oder politischen) Vorbilds sind keine Fans, sondern Fundamentalisten.

Doch nun meine Gedanken zur neuen Platte: Ich habe U2 immer verteidigt, bin immer noch der Meinung, dass der enorme kommerzielle Erfolg und ein paar sehr bekannte Songs dazu geführt haben, dass ihre künstlerische Qualität nicht so wahrgenommen wurde, wie sie es verdient hätten. In Anbetracht ihres Outputs in den 90ern und auch von No Line On The Horizon halte ich sie sogar für eine erstaunlich unterschätzte Band.

Das aktuelle Album Songs Of Surrender enthält bekanntlich keine neuen Kompositionen sondern musikalische Neuinterpretationen. Das hätte viel bedeuten können, aber konkret sind die meisten Songs Of Surrender einfach stripped down oder unplugged eingespielt worden. Ich bin gegenüber dieser Idee nicht grundsätzlich negativ eingestellt, auch wenn sie nicht gerade neu ist. Die Rolling Stones, um nur ein Beispiel zu nennen, haben mit „Stripped“ (und später der „Totally Stripped“ Box) bewiesen, wie gut das gelingen kann. Bei U2 beschränken sich viele neue Arrangements auf Gesang mit akustischer Gitarre oder mit Klavierbegleitung. Schlagzeug und Bass sind selten zu hören. Gelegentlich wird ein Chor in den Hintergrund gemischt, der es aber nicht besser macht, sondern den Kitschfaktor erhöht.

Positiv kann man über Songs of Surrender sagen, dass man daran erinnert wird, wie viele gute Songs U2 im Laufe ihrer Karriere geschrieben haben. Tatsächlich bekommt man während des Hörens der Versionen von beispielsweise 11 O'Clock Tick Tock, Out Of Control oder Miracle Drug Lust auf die Originale - so wie man versucht, einen schlechten Geschmack im Mund mit einem Stück Schokolade (oder einem Irish Whiskey) zu vertreiben. Ich frage mich aber wirklich, wie die Band das Endergebnis gut finden konnte? Traut sich da niemand im Umfeld zu sagen, dass (fast) jede einzelne neue Version schlechter ist als das Original. Dass Falsettgesang sehr selten eine gute Idee ist? Bad oder Until The End Of The World verlieren jegliche Schärfe und Düsternis des Originals. Every Breaking Wave gab es bereits vor Jahren in akustischem Arrangement. Warum den Song noch einmal aufnehmen? Klassiker wie One und With Or Without You sind nicht zu verbessern. Und Desire in Modern Talking Gedächtnisversion ist sehr wahrscheinlich der schlechteste Track, den die Band in ihrer Karriere überhaupt veröffentlicht hat.

U2 stecken schon eine Weile in einer kreativen Krise. In einer Schreibblockade. Das ist gar nicht tragisch und erst recht nicht zu verurteilen. Pink Floyd waren, als „The Division Bell“ erschien, noch keine 50 Jahre alt („Endless River“ war eine Verwertung von alten Aufnahmen und erhielt keine neuen Kompositionen). Genesis haben ebenfalls seit den 90ern keine neuen Songs mehr veröffentlicht. Peter Gabriel hat sich über 20 Jahre für sein jetzt erscheinendes Album Zeit genommen. Es ist jedenfalls nicht klug, Platten zu veröffentlichen, wenn man künstlerisch keine neuen Ideen hat. Es mag banal erscheinen, aber nicht einmal bei der Suche eines Albumtitels gibt man sich offensichtlich noch Mühe, oder wie viel „Songs of…“ will man noch auf den Markt werfen? Songs of Surrender ist eine Enttäuschung auf der ganzen Linie, im Vergleich zum eigenen Werk und auch zu aktuellen Veröffentlichungen anderer Bands wie den Gorillaz oder dEUS, die kreativ immer noch auf der Höhe sind. Das Album ist leider kein misslungenes und mutiges Experiment - das wäre zu ertragen. Nein, Songs of Surrender ist eine künstlerische Kapitulation.
 

Durchschnittliche U2tour-Bewertung nach vier Meinungen: 4,375 von 10 Punkten



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