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U2 News » 5 Jahre Songs Of Innocence


Kinder, wie die Zeit vergeht. Heute vor genau 5 Jahren erschien, überraschend und spektakulär wie kaum eine andere U2-Platte, "Songs Of Innocence". Ein Release wie kein anderer. Unser Autor Hans blickt noch einmal auf die Veröffentlichung und das Album zurück.

Es war Anfang Oktober 2015, als mir Lisa eine WhatsApp-Nachricht schickte, in der sie mich fragte, ob ich ihr nicht noch irgendwie ein erschwingliches Ticket für eine der beiden Köln-Shows, die rund zwei Wochen später anstanden, klarmachen könnte. Eine Anfrage, die mich überraschte, denn Lisa war nun nicht gerade verdächtigt, sich für U2 zu interessieren. Meine Frage, wie sie denn nun zu U2 käme, beantwortete sie damit, dass sie "Songs Of Innocence" auf ihrem iPhone gefunden hätte, es sich angehört und für gut befunden hätte.

Lisa war nun kein Einzelfall, denn das Album wurde am 9.9.2014 nicht nur auf ihr Telefon, sondern auf rund eine halbe Milliarde Apple-Geräte bzw. iTunes-Accounts "geflutet". Eine Aktion, die weltweit für Aufsehen sorgte. Viele werden sich gefreut haben. Für U2-Hasser hingegen (darunter auch gewisse Vertreter einer deutschen Musikzeitschrift) war es die passende Gelegenheit für einen Shitstorm. Wie konnte man nur ungefragt Musikfiles auf ein Telefon laden? Dabei war das nur die halbe Wahrheit. Denn automatisch passierte dies nur, wenn man den automatischen Download in die Musikbibliothek aktiviert hatte. So mancher, der sich darüber aufgeregt hatte, sollte also lieber einmal lernen, mit seiner Hard- und Software umzugehen. Dies hätte auch Lösch-Tools, die später extra bereit gestellt wurden, erspart. Aber auch Fans, die keine Apple Soft- oder Hardware besaßen, fühlten sich auf den Schlips getreten. Sie bekamen das Album nicht kostenlos. Es sei denn, sie meldeten sich mit einem Account bei iTunes an. Nur gut, dass sich nach zwei bis drei Wochen die Lage etwas beruhigte und zum regulären physischen Release kaum noch über das Apple-Gate geredet wurde. Allein wegen dieser Aktion lief der Release schon ganz anders als zuvor.


Das Cover - Larry Mullen jr und sein Sohn Aaron Elvis

So richtig los, oder auch nicht, ging die Geschichte der Veröffentlichung des Albums und was dazugehört am 17. Oktober 2013. Der Release der letzten U2-Platte "No Line On The Horizon" war bereits gut 4,5 Jahre her. So lang war bisher noch keine U2-Pause zwischen zwei Alben. Immer wieder sickerten Informationen von Studio-Arbeiten der Band durch, sowohl in Europa als auch in New York. Teilweise auch mit Gästen wie Chris Martin von Coldplay. Und dass Brian Burton aka Danger Mouse produzieren sollte, wurde ebenfalls als bestätigt angesehen. Eine Sache, die mir persönlich Hoffnung machte, mochte ich doch seine anderen Arbeiten insbesondere die Broken Bells-Platten. Was aber fehlte: Hörproben bzw. die geliebten Beachclips, also Mitschnitte von Fans, die in Südfrankreich ihre Aufnahmegeräte zückten, wenn Bono wieder mal zu laut neues U2-Material in seinem Haus am Mittelmeer spielte. War er nicht zufrieden damit? Oder gab es vom neuen Manager Guy Oseary einen Tipp, dies besser zu unterlassen? Man weiß es nicht. Jedenfalls fehlten diese Hörproben im Vorfeld, im Gegensatz zu zwei bis drei Vorgängeralben. Umso gespannter durfte man sein, was U2.com am 17.10. ankündigen wollten. Es sollte etwas Spektakuläres sein. Was lag näher als die Ankündigung einer neuen Single oder gar des neuen Albums. Umso ernüchternder war es, dass es sich "nur" um die Ankündigung der Beteiligung am Mandela-Soundtrack handelte, inklusive eines Häppchens aus dem betreffenden Titel "Ordinary Love". Ein vielversprechender Titel, bei dem die Einflüsse von Danger Mouse deutlich hörbar waren. Und vielleicht eine der besten U2-Singles in den 2000ern. Schon bald war klar, dass es sich hier um eine eigenständige Sache handelte und der Titel nichts mit dem Album zu tun hatte. Also ging das Warten weiter. Immerhin gab es zum Black Friday die Platte als 10"-Vinyl. Sofern man eines der weltweit 10.000 Exemplare ergattern konnte.

Ziemlich genau vier Monate später, am 18. Februar 2014, waren U2 bei der Jimmy Fallon Show angekündigt. Inklusive Liveperformance eines neuen Titels "Invisible" und dazugehörigem digitalen Release. Sollte es nun endlich mal losgehen mit der Promokampagne für die neue Platte? Neben dem Auftritt waren auch einige Interviews mit Radiosendern angekündigt. Also alles das, was man normal im Vorfeld eines Releases praktiziert. Unterm Strich erfuhren wir in diesen Interviews: 7-8 Songs sind (fast) fertig, die Band habe genug Beschäftigung in den kommenden Monaten. Einen Termin für die Album-Veröffentlichung nannte man nicht. Damit war eigentlich schon zu rechnen, nachdem Fallon dieses Thema in der Sendung komplett ausgeklammert hatte. "Invisible" war zu Beginn jetzt nicht so ganz mein Favorit und auch dieser Titel sollte keinen Weg auf die normale Ausgabe des Albums finden. Das Warten ging weiter. Über den Sommer passierte nicht viel. Lediglich wurde bekannt, dass nun auch Ryan Tedder mitproduzieren sollte. Ein bisschen Angst machte mir das schon. Mittlerweile waren fünfeinhalb Jahre seit dem letzten Album vergangen. Immerhin verdichteten sich Meldungen, dass mindestens zwei Alben in Arbeit sind: "Songs Of Innocence" und "Songs Of Experience", frei nach William Blake. Und irgendwann wurde auch noch von "Songs Of Ascents" gesprochen. Bezüglich einer Veröffentlichung wurde aber sehr viel, und damit auch sehr viel Falsches berichtet. Einige Quellen rechneten mit einem September-Release, andere (auch renommierte) Medien schlossen ein Album 2014 aus und nannten 2015 als Termin.

Spannend wurde es Anfang September 2014. Meldungen, dass das neue Album mit dem neuen iPhone veröffentlicht werden sollte und dass U2 passenderweise am 9.9. bei der Keynote von Apple spielen sollten, gingen durch die Medien. Die PR-Agentur der Band dementierte dies umgehend. Bereits in den Tagen vor der Keynote deutete aber aufgrund der etwas anderen Vorbereitungen vieles daraufhin, dass diese Keynote anders werden sollte als die bisherigen. Trotz aller offizieller Dementis hielt sich hartnäckig der Gerücht, dass die Band dort auftreten werde. Doch der Wahrheitsgehalt war selbst bei der Plattenfirma nicht nachzuprüfen. Da wussten selbst die Product Manager in den einzelnen Ländern nichts. Die Band schaffte es tatsächlich, die Geschichte im engsten Kreis zu halten. Die Hoffnung, dass U2 einen neuen Titel vorstellen war aber wegen der genannten Anhaltspunkte trotzdem da. Und da ich eh Apple-Kunde bin und mich so oder so für die Keynote interessierte, gab es an jenem Abend doppelte Spannung.

The Miracle (Of Joey Ramone) - Live from Apple Keynote

Es dauerte nicht lange, da war die Katze aus dem Sack. Schon gleich zu Beginn durften U2 die neue Single "The Miracle (of Joey Ramone)" spielen. Als der Song mit den "Ohohohos" begann, war der Schreck bei mir erstmal groß. Hatte man nichts aus "Get On Your Boots" gelernt? Was soll das? Die Strophen und der Refrain waren immerhin erträglich. Aber ein negativer Beigeschmack blieb. Ich war gespannt, was man wohl im Forum und auf anderen Plattformen dazu lesen würde. Doch dazu kam es nicht. Es ging Schlag auf Schlag. Im anschließenden Gespräch wurde das Album nicht nur angekündigt, sondern direkt veröffentlicht. Frei nach dem Motto "Schaut auf euer Telefon, ihre bekommt die Platte kostenlos. Apple bezahlt!". Wumms, damit hatte wirklich niemand gerechnet. Und statt sich mit einem neuen Titel auseinanderzusetzen, wurden wir komplett mit Informationen und Musik überrollt. Statt über einen Auftritt wurde nun erstmal über Apple, iTunes und was man wohl alles benötigte, um ans Album zu kommen diskutiert.

Ich selbst nahm erstmal einen Gang raus. An dem Abend ließ ich "Songs Of Innocence" erstmal links liegen. Die Informationsflut, die dazugehörigen Diskussionen, die Eindrücke des Liveauftrittes, viele Anfragen unserer Leser. Das war an dem Abend alles zu viel. Too much information. Der Rest der Keynote geriet zur Nebensache.

Ein oder zwei Tage später hörte ich mir die "Songs Of Innocence" zum ersten Mal an. Abends, im Bett, mit Kopfhörer und nur ein Durchlauf vorm Schlaf. Auch das war eine neue Erfahrung. Ein Album komplett zu hören ohne irgendwo vorher mal einen Schnipsel davon gehört zu haben, sieht man mal von der Apple-Livedarbietung ab. Nach "No Line On The Horizon", das mir nur zu Hälfte wirklich zusagte und dem mäßigen HTDAAB davor war meine Erwartungshaltung nicht sonderlich hoch. Der erste Durchlauf gefiel mir sehr gut. Es gab gefühlt nicht eine Schwachstelle, dafür aber das ein oder andere Highlight, das man bei weiteren Durchläufen noch näher erkunden konnte. Dieses Gefühl hatte ich zuletzt 1997 bei POP. Ich freute mich am Ende auf den Durchlauf am nächsten Tag. Auch dieses Gefühl war mir lange bei U2 verwehrt geblieben. Ein komplettes ausführliches Review erspare ich mir. Wer es wirklich lesen will, schreibe mir eine Mail. Wenn sich genug finden, liefere ich es gerne nach. Bis heute hat sich mein Eindruck vom Album nicht geändert. Eine sehr homogene Platte, mit wenig Ausschlägen nach oben oder unten. Es sind keine Übersongs wie "One" oder "Streets" vorhanden, aber auch das zählt zur Stärke der Platte. Die Gesamtheit macht es bei "Songs Of Innocence". Natürlich gibt es Lieder, die mir besser gefallen. Wenn ich jetzt fünf Songs aussuchen müsste, um jemandem die Scheibe schmackhaft zu machen, würde ich "Every Breaking Wave", "California", "Volcano", "Sleep Like A Baby Tonight" und "The Troubles" nehmen. "California" mag seicht klingen und kommt in manchen Review schlecht weg, aber mir gefällt gerate die Leichtigkeit und der Drang nach vorne. Man öffnet das imaginäre Cabrio-Verdeck und taucht in die Freiheit unter blauem Himmel ein. U2 beschäftigten sich oft mit USA-Themen, besangen auch viele Orte. "California" trifft das, was man besingt, einfach voll und ganz. Schade, dass der Titel live zu selten gespielt wurde. "Every Breaking Wave" ist in der Studiofassung ein typischer U2-Titel. Er mag an "With Or Without You" erinnern, hat aber seinen eigenen Charakter. Mich würde aber interessieren, wie die Danger Mouse-Version ohne Ryan Tedder geklungen hat. Tedder hat den Refrain ja erweitert oder wie man es nennen mag. "Volcano" ist einfach nur fett und das bessere "Glastonbury" bzw. auch das bessere "American Soul". Bass und Gitarre im Zusammenspiel, die Klimax. Eine tolle Nummer. Ich war froh, dass ich den Song zumindest bei einer meiner Shows zu hören bekam. "Sleep Like A Baby Tonight" und "The Troubles" sind zwei Songs, bei denen Danger Mouse seine Stärken ausspielt. Die Stimmung ist in beiden eher dunkel. Spannende Songs, anders instrumentiert als der "normale" U2-Song. Beim Hören kommt keine Langeweile auf. Schade, dass es "Lucifer's Hands" und "The Crystal Ballroom" nicht in die reguläre Tracklist geschafft haben. Erstgenannter Titel wäre auch ein guter Opener fürs Album gewesen. "The Crystal Ballroom" ist ebenfalls sehr stark. U2 gehen nochmal in die Tanzhäuser und packen die Disco-Kugel aus, ohne nicht nach U2 zu klingen. Vielleicht holte man sich die Inspiration bei "The Reflektor" von Arcade Fire.

Alles in allem eine runde Sache. Eigentlich stört mich nur das Gitarrensolo bei "Song For Someone", das an das fürchterliche Solo bei "I'll Go Crazy" erinnert. Insgesamt würde ich dem Album 8 von 10 Punkten geben. In meinem U2 Album-Ranking sollte es damit auf den Plätzen 5-7 liegen.

Bleibt die Frage, was aus Lisa wurde. Die stand am 18.10.2015, also bei der zweiten Köln-Show, am Catwalk und wurde damit Zeugin einer der besten U2-Shows auf deutschem Boden.Und ist gleichzeitig der Beweis, dass U2 und Apple mit der Art des Releases nicht alles falsch gemacht haben.

  
Bono bei der zweiten Köln Show der ie-Tour am 18.10.2015



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