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U2 News » Bono zum Tag der Pressefreiheit


Der 3. Mai wurde 1991 von den Vereinten Nationen zum Tag der Pressefreiheit erklärt. In ihrer diesjährigen Kampagne anlässlich dieses Gedenktages weist die World Association of Newspapers (WAN) darauf hin, dass Pressefreiheit nicht nur ein Menschenrecht, sondern auch eine wirksame Waffe gegen Armut, Unterdrückung und Terrorismus ist. Eine Reihe bekannter und einflussreicher Persönlichkeiten, darunter auch Bono, unterstützt die WAN bei ihren Aktivitäten zum 3. Mai. HIER könnt Ihr ein Exclusiv-Interview mit Bono zu dieser Thematik lesen.

WAN: Wann wurde Ihnen als Bürger eines demokratischen westeuropäischen Landes bewusst, dass die Pressefreiheit nicht überall ein normales Recht ist? Bono: Ich glaube, ich wusste schon immer, dass die Pressefreiheit in den meisten Ländern keine Selbstverständlichkeit war, aber so richtig klar wurde es mir erst während des Zerfalls Bosniens und der Belagerung Sarajewos. Damals kamen sehr viele Journalisten nicht zufällig durch einen Querschläger oder Granatsplitter ums Leben, sondern sie wurden umgebracht. Es wurden gezielt Belohnungen auf Journalisten ausgesetzt als Zeichen für ihre Verlage und auch ihre Familien, dass Berichte über bestimmte Ereignisse zu gefährlich waren. Selbst Kriegsverbrecher waren sich jetzt der Rolle der Medien bewusst und betrachteten sie im Allgemeinen als eine weitere Front. WAN: Warum ist die Pressefreiheit bei Themen wie HIV/AIDS so wichtig? Bono: AIDS ist die schlimmste pandemische Erkrankung seit 600 Jahren. Wer sich nicht anstecken will, muss darüber informiert sein. Selbst in den ärmsten Ländern, in denen ich war, hat irgendwer irgendwo ein Radio. Die Medien sind unser Bote, eine moderne Form des mittelalterlichen Ausrufers. China ist ein gutes Beispiel dafür, was passiert, wenn zensurbedingt ein allgemeines Stillschweigen herrscht. Dort konnte sich AIDS in bestimmten Regionen rasend schnell ausbreiten, weil niemand etwas darüber wusste. Eine Million Menschen sind HIV-positiv, und erst jetzt wird es in den überregionalen Zeitungen ein Thema. Die Medien müssen wahrheitsgemäss über das berichten, was geschieht. Sie müssen Ammenmärchen entlarven wie etwa jenes in Südafrika, wo die Männer glauben, dass ihre HIV-Infektion verschwindet, wenn sie Geschlechtsverkehr mit einer Jungfrau haben. Aber die Presse hat noch eine viel grössere Aufgabe, als die Bevölkerung über ihr individuelles Risiko aufzuklären. Wir brauchen eine globale Reaktion auf AIDS, die dem Ausmass der Gefahr gerecht wird, und dazu gehören auch die erforderlichen finanziellen Mittel. Fachleuten zufolge sind für die AIDS-Bekämpfung Jahr für Jahr 15 Milliarden Dollar nötig. Von diesem Betrag steht erst ein Drittel bereit; wir sind zwar auf dem richtigen Weg, aber wir sind viel zu langsam. In der westlichen Welt haben die Medien begonnen, unsere Selbstgefälligkeit und unsere Mittäterschaft an der Tragödie herauszustellen, die in der übrigen Welt und dabei am schlimmsten in Afrika heraufzieht. Vergangenes Jahr gab Präsident Bush das historische Versprechen, über fünf Jahre hinweg 15 Milliarden Dollar für die AIDS-Bekämpfung in den ärmsten Erdteilen zur Verfügung zu stellen. Die ersten Raten werden im Augenblick gezahlt, und die Presse hat immer wieder nachgehakt, wie hoch sie sind und wie sie verwendet werden sollen. So soll es sein - das Verhältnis zwischen Staat und Medien ist immer ein wenig gespannt, aber dadurch ist es ja auch unverfälscht, ob in Grossbritannien, Japan, Uganda, Russland oder Chile. Jeder Staat muss dazu angehalten werden, Rechenschaft abzulegen, und gezwungen werden, die Verantwortung sowohl für das zu übernehmen, was er tut, als auch für das, was er nicht tut. WAN: Können Sie ein Beispiel dafür nennen, wie Länder mit mehr Pressefreiheit erfolgreicher sind als andere, wenn es darum geht, über AIDS aufzuklären und die Ausbreitung der Krankheit zu verlangsamen? Bono:Als AIDS in den 80er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts in Europa und Amerika erstmals festgestellt wurde, machte es sofort Schlagzeilen. Die Presse sorgte dafür, dass einige sehr drastische staatliche Aufklärungskampagnen eine Vielzahl von Menschen erreichten. Die Grundaussage dabei: Sex ohne Kondom lohnt sich nicht. Die Absatzzahlen für Kondome schossen in die Höhe, und die Zahl der HIV-Infektionen ging zurück. Ein anderes Beispiel wäre Brasilien. Auch Uganda ist interessant, weil die dortige Presse der Zensur unterworfen ist und die Ansteckungsquote dennoch drastisch von 15 % auf 5 % gesunken ist. Präsident Museveni hat die Bekämpfung von AIDS zu einer vorrangigen staatliche Aufgabe gemacht, und die Medien wurden zur Unterstützung dieser Aufgabe herangezogen. Das soll kein Argument für eine staatlich beherrschte Medienlandschaft sein - die liegt zwar im Interesse des Staates, ist aber völlig gegen die Interessen des Volkes gerichtet, dem der Staat dienen soll -, doch es zeigt, welche Bedeutung der politischen Führung bei der AIDS-Bekämpfung zukommt. WAN: Wenn Sie auf HIV/AIDS aufmerksam machen, beziehen Sie sich gern auf persönliche Schicksale, statt sich nur auf Statistiken zu verlassen. Warum? Bono: Man sagt ja, die Fakten sprächen für sich, aber dem ist nicht so. Wenn ein Haufen Zahlen auf den Tisch gelegt wird, wirft man doch nur einen flüchtigen Blick darauf. Das gilt auch für mich. Wenn man Aufmerksamkeit wecken will, muss man die Statistik zum Leben erwecken. Dass sich die Verbreitungsquote in Sambia bei 20 Prozent stabilisiert hat, ist für niemanden besonders interessant. Wenn man aber erklärt, dass eine junge Schwangere nur deswegen, weil es an ein paar Spritzen im Wert von 50 Cent mangelt, ihr Kind bei der Geburt mit HIV infiziert, wo sie ihm doch nichts weiter schenken will als das Leben - das sitzt. In Lilongwe in Malawi haben wir ein Krankenhaus besucht, in dem die Menschen buchstäblich Schlange standen, um auf geordnete Art und Weise an AIDS zu sterben, drei Personen pro Bett, zwei darin, eine darunter. Dieser Anblick lässt sich mit Worten gar nicht beschreiben... Gottes Geschöpfe, bar jeder Würde. Und doch sind diese Menschen Söhne, Mütter, und man weiss, dass man selbst dort liegen könnte, wenn man HIV-positiv wäre und nicht zufällig anderswo leben würde... dieses Gefühl kann jeder verstehen. WAN: Wie können die Zeitungen diese Vorgehensweise nutzen, um weiter über die Krankheit aufzuklären? Bono: Ich behaupte, ein guter Journalist lässt aus statistischen Zahlen persönliche Schicksale werden. So wie ich ein Mikrofon habe, hat die Presse sinnbildlich ein Megaphon... Wir müssen über Menschen berichten, und zwar nicht nur über die traurigen Fälle, sondern auch über Erfolge, also jene Fälle, über die man nie etwas zu hören bekommt. Ich habe von Südafrika bis Äthiopien Menschen kennengelernt, die Aussergewöhnliches leisten und der lebende Beweis dafür sind, dass AIDS bei richtiger Hilfe kein Todesurteil darzustellen braucht. Die Ansicht, dass bei AIDS keine Hoffnung mehr besteht, ist ja ein Teil des Problems. Die Medien müssen das Stigma, mit dem AIDS behaftet ist, in Frage stellen. Warum sollte sich jemand testen lassen, wenn er doch nur das Etikett „Schande“ aufgedrückt bekommt? HIV ist ein Virus, keine Einladung für eine Verurteilung, aber genau das ist es in zu vielen reichen und auch armen Ländern geworden. WAN: Sie haben sich nie gescheut, zu Fragen Stellung zu beziehen, die als heikel betrachtet werden. Können Sie sagen, was Sie bewogen hat, sich für die Sache Afrikas einzusetzen? Bono:Nach dem Live-Aid-Konzert ging ich 1985 das erste Mal nach Afrika, nach Äthiopien, um in einer Suppenküche zu arbeiten. Ein Sommer, den ich mein Leben lang nicht vergessen werde. Allerdings betrachte ich das Ganze nicht als Sache Afrikas. Für mich geht es um Gerechtigkeit. Wenn in Afrika tagtäglich 6.300 Menschen an AIDS sterben, einer Krankheit, die vermieden und behandelt werden kann, nur weil es an Medikamenten mangelt, die wir in Europa und Amerika als selbstverständlich betrachten, geht es um Gerechtigkeit, nicht um Wohltätigkeit. Wenn wir Kinder als Geisel für die Schulden ihrer Ur-Urgrosseltern benutzen, geht es nicht um Wohltätigkeit, sondern um Gerechtigkeit. Wenn wir die Erzeugnisse der Ärmsten der Armen nicht in unsere Läden lassen, statt dessen aber ihre Märkte mit unseren Produkten überschwemmen, ist das ein Gerechtigkeitsproblem. Hier setzt die Organisation DATA (englisch für Schulden, AIDS, Handel, Afrika) an, für die ich arbeite. Man kann sich kaum vorstellen, dass unsere Generation die erste ist, die der extremen Armut wirklich ein Ende bereiten kann, jener Armut, die bedeutet, dass ein Kind stirbt, weil es nicht genug zu essen hat. Wir sollten das als einmalige historische Chance betrachten, aber statt dessen stecken wir den Kopf in den Sand. Und rechtfertigen unsere Untätigkeit mit erbärmlichen Ausflüchten darüber, wie „schwierig“ es sei. Seien wir ehrlich: Wir haben das Wissen, die Technik und den Wohlstand. Was uns fehlt, ist der Wille, und das ist kein Grund, der vor dem Auge der Geschichte Anerkennung finden wird. Dieses Exklusivinterview gab Bono dem Weltverband der Zeitungen anlässlich des Internationalen Tags der Pressefreiheit am 3. Mai.



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